TRITIME Magazin 1/2011 | Familie & Triathlon von Dagmar Gard

Tritime 1/2011Das Extreme auf die Spitze getrieben
Drei Kinder, Vollzeitjob und Ultra-Triathlon – Das kann doch nicht gut gehen?! Roland Patzina aus Kempten ist Ultra-Triathlet, was bedeutet , das seine Wettkampfdistanzen mindestens das Doppelte eines Ironman umfassen. Mindestens! Im September dieses Jahres absolvierte er sogar einen Zehnfach-Ironman-Triathlon: 38 Kilometer Schwimmen, 1800 Kilometer Radeln und 420 Kilometer laufen im Zeitlimit von 14 Tagen. Wie kann bei solch einem Extremsportler die Familie bestehen?
Wenn man die  Wohnung von Familie Patzina betritt, fällt eines sofort auf: es gibt keinen Hinweis darauf, dass hier ein „Besessener“ (denn so stellt man sich doch  einen Ultratriathleten vor) lebt. Das Wohnzimmer könnte jeder deutschen Durchschnittsfamilie zugeschrieben werden: eine gemütliche Sitzecke, eine Schrankwand, daneben ein Spielzelt für den einjährigen Sohn Kai. Am Fenster steht der Katzenbaum für die zwei Stubentiger der Familie Patzina.
Wo bitte ist hier der Extremsport, die stundenlange, ja tagelange Qual, die Besessenheit? Roland Patzina klärt auf:“ Ich habe bewusst den Sport hier aus dem Wohnbereich  rausgehalten. Mir ist es wichtig, dass der Sport nicht alles bestimmt.“ Sein sportliches Reich findet man eine Treppe tiefer, im Keller des Mehrfamilienhauses in Kempten im Allgäu. Hier steht die Rolle, hier findet man feinsäuberlich aufgereiht die Relikte seiner unzähligen Wettkämpfe, auch derer die dem „normalen Triathleten“ eher ein Kopfschütteln abverlangen: so zum Beispiel die Urkunde vom Dreifach-Ironman in Lehnsahn, wo der 43-jähige 11,4 Kilometer Schwimmen im 50 Meter Becken (das entspricht 228 Bahnen!), 
540 Kilomter Radfahren
(46 Runden) und 126,6 Kilometer Laufen  (96 Runden auf einem 1,32 Kilometer Kurs!) auf dem Programm hatte. VomTriathleten zum ULTRAMAN
Seit rund 20 Jahren betreibt Patzina Ausdauersport. Bevor er dem Ultratriathlon verfiel, nahm er auch an Ironman-Rennen und kürzeren Triathlons teil. Seine Frau Sabine kannte ihn damals schon und empfindet den Sport ihres Mannes nicht als Belastung. „Es ist sein Hobby und wenn ich ihn nicht lassen würde, wäre er unausgeglichen.“ sagt sie verständnisvoll. Auch der 15-jährige Sohn Robin sieht die Sache eher entspannt: „Ich habe kein Problem damit“. Im Gegenteil er kann sich sogar vorstellen, später auch mal Triathlon zu machen. Bei den Wettkämpfen des Vaters ist er engagierter Helfer und sorgt dafür, dass Roland seine Verpflegung stets griffbereit hat (bei den meisten Ultra-Triathlons gibt es keine vom Veranstalter gestellten Verpflegungsstellen). Patzinas Familie ist auch seine „Crew“. Robins zwei Jahre jüngere Schwester, grinst und sagt: „Ich finde es OK was Papa macht.“ Roland Patzina ist beruflich als Kraftfahrer mindestens 40 Stunden die Woche eingespannt. Dazu kommen rund 25 Stunden Training die Woche. Und trotzdem sagt jeder in der Familie, es sei kein Problem!
Was ist mit dem Verzicht auf ein „klassisches Familienleben“ mit Sonntagsausflügen mit der Familie? In den Zoo gehen, einen Vergnügungspark besuchen?  Auch hier sind sich die Patzinas einig und erzählen, dass sie nichts vermissen. Die Wettkämpfe verbinden sie meist mit einem gemeinsamen  Familienurlaub, wenn es die Schulferien -Situation zulässt.
Fast symbiotische Beziehung

Mama Sabine scheint sich im Triathlon eben so gut auszukennen wie ihr Mann. Aber selbst aktiv ist sie in dem Sport nicht. Sie, die ihren Mann noch nie vom Training abgehalten hat, erzählt: „Jetzt, wo Roland „nur noch “ Ultra-Triathlons macht, ist es sogar einfacher als vorher. Früher war er fast jedes Wochenende auf einem Triathlon-Wettkampf und nun sind es nur noch drei Rennen pro Jahr.“Und der Familienvater fügt hinzu:“Andere Väter gehen vielleicht nach der Arbeit in die Kneipe. Ich betreibe halt meinen Sport und wenn ich was mit den Kindern mache, dann auch richtig.“ Es ist schwer vorstellbar, doch so wie sie da sitzen zufrieden, vereint und glücklich, muss man es der freundlichen Familie aus dem Oberallgäu einfach glauben: Sie alle kommen gut klar mit dem außergewöhnlichen Hobby des Vaters. Fest  steht: Ohne die Familie könnte Patzina seine Leidenschaft niemals in der Form ausleben  und das weiß er auch. Es scheint fast so, als würde das alte Motto „Einer für alle, alle für einen“ auf die Familie von Roland Patzina voll und ganz zutreffen.